Hotel Bayer : eine Geschichte aus dem 20. Jahrhundert

Klier, Walter, 2003
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Medienart Buch
ISBN 3-85218-416-9
Verfasser Klier, Walter Wikipedia
Systematik DR - Romane, Erzählungen
Verlag Haymon
Ort Innsbruck
Jahr 2003
Umfang 156 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Walter Klier
Annotation Mit "Grüne Zeiten" (1998) hat Klier ein fast dokumentarisches Bild der Grünbewegung der ersten Hälfte der 80er Jahre entworfen. Auch in diesem Buch war Ironie bereits ein wichtiges Stilmittel wie jetzt wieder in dieser neuen "Geschichte", die ebenfalls zu Beginn der 80er Jahre spielt. Eigentlich sind es ja viele nebeneinander laufende Geschichten, zur Geschichte verknüpft werden sie erst durch einen Ort in Bolivien, Nuestra Señora. Dort treffen die verschiedenen Personen sich entweder direkt, gehen dort aneinander vorbei, streifen sich wie zufällig, haben sich früher einmal geliebt usw. Tatsächlich wird daraus keine Geschichte im wörtlichen Sinn, sondern Geschichte vom Beginn der 80er Jahre erzählt. Da erzählt der Innsbrucker Großvater seiner Enkelin Susanne vom Zusammenbruch im Frühjahr 1945 und wie sich auf der sogenannten "Rattenlinie" die NS-Verbrecher aus dem Staub gemacht haben, da benutzen deutsche Offiziere, darunter auch Altmann, 1945 diesen Fluchtweg über den Brenner, da macht sich Michel Goldberg Ende Jänner 1982 von Paris Richtung Bolivien auf, um den Tod seines Vaters zu rächen, der 1943 bei einer Razzia unter Führung von Altmann gefangen wurde und in Auschwitz umkam. Ebenfalls Richtung Bolivien macht sich der Monsignore Giovanelli ("als guter Katholik die Sünde nicht scheuend") auf, der in Nuestra Señora ein historisches Rätsel lösen will, aber gleich als Spion verdächtigt wird. In Nuestra Señora lernen wir den Rechtsanwalt Barrientos kennen ("der biedere, behäbige und stets leicht verschwitzte, unablässig um weißgestärkte Sauberkeit kämpfende Advokat und hundebesitzende Junggeselle aus alter Familie"), Santiago ("Koka-Zwischenhändler und Waffen-Zwischenhändler und Freiheitskämpfer, ein manchmal etwas kompliziertes Berufsbild"), Nachfolger des legendären Che Guevara, kommt ebenfalls in die Stadt, Susanne begegnen wir, zusammen mit einer amerikanischen Freundin, als Touristin wieder ("Sie lebten, in diesen achtziger Jahren des zwanzigstens Jahrhunderts, auf einer Hochebene von Frieden und Glück. Dies befähigte sie wie keine andere Generation, das Vergangene zu sehen und einzuschätzen und vor allem moralisch zu beurteilen, und ebenso die gegenwärtige Welt, das, was sie hier zu sehen bekamen auf dem Kontinent, den sie seit einigen Wochen bereisten.") Da sitzt in einem Café Ron Lawson, der in großem Stil Gründe zu verkaufen versucht, die ihm wahrscheinlich gar nicht gehören, zusammen mit seinem Gehilfen Moscoso, so ganz nebenbei mischen sie auch beim Rauschgiftschmuggel mit. Das Hotel Bayer ist sozusagen der Treffpunkt dieser internationalen Gesellschaft. Goldberg, sich als Journalist ausgebend, trifft sich mit Altmann, immer noch mit dem festen Vorsatz, ihn zu erschießen. Wie er Altmann ("Er war von seinen Überzeugungen nie abgewichen und bereute nichts.") sieht, "ein Männchen im braunen Anzug, ein banaler Typ, fast jämmerlich in seiner Aufgeblasenheit" kann er keinen Haß fühlen und gibt deshalb auch seinen Racheplan auf. Die mitgebrachte Pistole wirft er in einen Abfalleimer, der als Postkasten für Lawsons verbrecherischen Kontakte genutzt wird und daher kurzfristig Verwirrung stiftet. Da sind die abendlichen Lokalgespräche, die ohne den Gesprächsstoff "Che Guevara" nicht auskommen. Da kommt es schließlich dazu, dass die beiden Touristinnen beschließen, mit Lawson und Moscoso über die Grenze zu fahren. Schließlich sitzen Giovanelli und Goldberg nebeneinander im Flugzeug Richtung Europa. Die Geschichten bleiben offen, es ist nichts passiert, keiner ist dem anderen wirklich begegnet, alles bereits Geschichte. Nuestra Señora ist der Ort, in dem die ehemaligen Naziverbrecher ziemlich ungestört leben können neben den Freiheitskämpfern und Rauschgift-Schmugglern, zu denen sich in Form von Touristen die ‚westliche Zivilisation' dazu mischt. Angesichts dieser wichtigen Themen und vieler gekonnt formulierter Passagen (zum Beispiel auch jene über die Krimiserie Columbo, die Santiago sich gerne ansieht) bleibt die Frage, warum einem dieser Text nicht ganz geheuer ist. Es liegt daran, daß mit einer ‚kalten' Distanz erzählt wird, daß die Ironie oftmals dem Zynismus gefährlich nahekommt. Schon 1910 hat Rilke in seinen "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" gewissermaßen ein ähnliches Verfahren angewandt: Der junge Malte erzählt die abstoßendsten Dinge im selben, registrierenden, distanzierten Tonfall, wie er die letzte noch stehende Mauer eines abgerissenen Hauses beschreibt. Diese Rilkesche Mauer läßt Klier noch einmal in Nuestra Señora erstehen und in ihr wortwörtlich dieselbe in "widerlichen, wurmweichen, gleichsam verdauenden Bewegungen die offene, rostfleckige Rinne der Abortröhre". *Brenner-Archiv / Literaturhaus am Inn* Anton Unterkircher
Bemerkung Katalogisat importiert von: onlineRezensionen (ÖBW)
Exemplare
Ex.nr. Standort
7216 DR, Kli

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